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Leben am Toten Meer: Besuch einer Ausstellung

Eine Überaschung erwartet die Besuchenden gleich am Eingang: Es gibt ein kleines Büchlein nur für den Besuch der Ausstellung – hinterher bitte wieder abgeben! Verbunden wird die Ausgabe mit dem Hinweis, dass die ausgestellten Gegenstände mit wenig Text daneben zu sehen sind. So geschehen bei meinem Besuch in der Ausstellung „Leben am Toten Meer“ am 8. Oktober in der Kaiserpfalz Paderborn, im LWL-Museum. Gleich nach der Einleitung in die Topographie des Toten Meeres beginnt ein thematisch organisiertes Suchspiel. Die Ausstellung „Leben am Toten Meer“ zeigt die Vergangenheit an der tiefsten Stelle der Welt in Themenbereichen. Der Besuch hat Tücken, aber er lohnt sich.

Broschüre des LWL-Museums in der Kaiserpfalz Paderborn „Leben am Toten Meer“

Die Themenbereiche als Suchspiel

Die Broschüre zählt die Themenbereiche auf: Natur und Selbsterhaltung; Wellness; Höhlen, Dörfer und Städte; Macht und Ohnmacht, Kult und Religion; Forschung (Forschungsgeschichte); Textilien, Mobilität und Handelsbeziehungen. Zugleich wird aufmerksam gemacht auf die Höhepunkte der Ausstellung. Das sind meist Fundstücke, die besonders alt sind: Textilien aus der römischen Zeit (2000 Jahre alt), eine Handschrift Plinius (1500 Jahre alt), eine Schriftrolle mit dem Text aus dem Buch des Propheten Ezechiel (Original 2000 Jahre alt) und ein rätselhafter Schatz mit Instrumenten aus Kupfer (5500 Jahre alt). Das ist beeindruckend! Für die einen eine Entdeckungsreise, für die anderen Besuchenden eher eine Suchbewegung: Wo sind die berühmten Fundstücke, aus welcher Epoche stammen sie und wer hat sie ausgeliehen?

Auch auf der Website der Ausstellung sind die Themenbereiche wichtigste Orientierung:
Leben am Toten Meer

Die Überaschung ist den Macherinnen der Ausstellung gelungen: Die Kuratorinnen Dr. Christina Michel, Dr. Martin Peilstöcker und weitere Kolleginnen, sowie die Direktorin Dr. Sabine Wolfram vom Sächsischen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) haben eine Ausstellung zur Archäologie eines faszinierenden geographischen Phänomens erstellt. Die erste Ausstellung zum Toten Meer überhaupt. Das Format hat einen großen Vorteil: Geschichtsmuffel, die mit Zahlen, Daten und Epochen wenig anfangen können, docken ihre Lernerfahrung an thematischen Gruppen von Gegenständen und Fundstücken an.

Broschüre der Ausstellung Leben am Toten Meer in Chemnitz (smac)

Das Leben ist wichtiger als die Zeit:
Eine Ausstellung für Geschichtsmuffel

Durch die Suchbewegung erlebe ich die Ausstellung viel intensiver als ein gelenktes Gehen entlang der Ausstellungsstücke. Das macht die Ausstellung noch spannender. Ein Nachteil ist, dass ich die besonderen, die herausragenden Ausstellungsstücke nicht sofort erkenne. Habe ich die Broschüre gut gelesen, dann weiß ich, dass mich hier tolle Stücke erwarten. Ich muss sie aber selbst identifizieren. Wichtig sind einige von ihnen, weil sie extrem alt, oder sogar die ältesten bekannten ihrer Art sind. Das steht aber nicht in dem kleinen Büchlein, das ich mitbekomme.

Zu allen Themenbereiche gibt es Einführungen auf Gebärdensprache:
Einführung in „Höhle, Dörfer, Städte“ in deutscher Gebärdensprache (DGS) auf Youtube

Fundstücke vom Toten Meer: unglaublich alt!

Dazu gehören echte Ausstellungsstücke wie die Handschrift der „Naturgeschichte“ von Plinius dem Älteren aus dem 5. Jahrhundert (nach Christus). Oder der geheimnisvolle Kupferschatz aus einer Höhle am Toten Meer aus der Kupfersteinzeit, also mehr als 5000 Jahre alt! Oder eine Abschrift eines Briefes aus dem Bar Kochba Aufstand, vielleicht aus dem Jahr 135 (nach Christus). Die Textilien sind natürlich ein wahrer Schatz, manche von ihnen über 2000 Jahre alt.

Aber auch einige Replika sind unglaublich interessant, darunter die Stele des „Königs“ Mescha, der seinen Sieg über den israelitischen „König“ Omri beschreibt, aus dem 9. Jahrhundert (vor Christus). Oder eine Kopie der Buchrolle des Buches Deuteronomium aus der Hebräischen Bibel, dem Alten Testament, aus dem 1. Jahrhundert (vor Christus). Spannend auch der Nachbau eines Siedlungshügels aus Südwestasien, ähnlich dem Tell e-Sultan in Jericho. Leider bleiben viele Stücke in der thematischen Gruppierung in ihrer Bedeutung quasi unerkannt.

Was ist eigentlich ein Tell? Erklärungen von Christina Michel (smac) auf Youtube

Die erste Ausstellung zur Vergangenheit der tiefsten Stelle der Welt

Was mir wirklich fehlt, ist die kritische Herangehensweise an Quellen der Geschichte oder ihre Interpretation. Selbst Archäologie ist ja durch Ansichten, Ideologien und Mentalitäten bestimmt. Zwar wird auf das wirtschaftliche Interesse der Forscher des 19. Jahrhunderts hingewiesen. Die politischen Entscheidungen der Europäer im Heiligen Land – das ja in Südwestasien liegt – werden nicht in Verbindung mit den Forschungen gebracht.

Auch interessant finde ich, dass die Bibel und ihre Interpretation keinen Nachhall in der Ausstellung findet. Immerhin ist die Bibel vor allem in Jerusalem (30km vom Toten Meer und der tieftsten Stelle der Welt) geschrieben und zusammengestellt worden. Die ältesten Handschriften dieser Tradition – für viele Menschen auf der Welt bis heute Glaubensgrundlage – sind am Toten Meer gefunden worden!

Wie kritisch ist die Archäologie als Wissenschaft?

Immerhin werden Irrtümer der Forscher kurz erwähnt. Watzinger korrigiert 1926 Datierungen von Fundstücken (Keramik), die er nach den Ausgrabungskampagnen bis 1909 zusammen mit Sellin ausgegraben hat. Als umstritten wird die Interpretation des Dominikanermönches De Vaux zu seinen Ausgrabungen in Khirbet Qumran bezeichnet, es hätte sich um eine klosterähnliche Ansiedlung einer Sekte gehandelt.

Der kollektive Selbstmord der Freiheitskämpfer auf der Palastfestung Massada lässt sich archäologisch nicht nachweisen, das ist richtig. Die Ausstellung bleibt da aber sehr vorsichtig. Die Mauern von Jericho, die von Posaunen zum Einsturz gebracht wurden, wollten die ersten Forscher wie Garstang gefunden haben. Aber Mauern gab es damals nicht – das wissen wir seit den Ausgrabungen und Forschungen von Kenyon (bis 1958). Das ist Wissenschaft – Erkenntisse werden überprüft und korrigiert. Doch wie kritisch sind wir heute?

Jericho: Josua verhindert den Massenmord (in Arbeit)

Die Bibel spielt eine Nebenrolle

In der Ausstellung werden zwei Beispiele von biblischen Geschichten mit Bezug zum Toten Meer kurz dargestellt, beide haben mythischen Charakter: Lot und seine Töchter entkommen der Katastrophe von Sodom und Gomorra, und die Posaunen von Jericho. Die eine Geschichte ist offensichtlich legendär, die andere von der Archäologie quasi widerlegt. Aber was bedeuten diese Geschichten? Was bedeutet es, dass weiße Siedler die Erzählung der Zerstörung Jerichos auf ihre Taten bezogen haben? Wie interpretieren wir Geschichte?

Geschichte im Heiligen Land gelesen als Geschichte in longue dureé in „Glaube unter imperialer Macht“ von Mitri Raheb (Buchbesprechung) (in Vorbereitung)

Schon erstaunlich, dass eine der Grundlagen des christlich-jüdischen Abendlandes – oder wie immer wir es bezeichnen wollen – nur am Rande vorkommt. Dabei heißt die Ausstellung von der Vergangenheit an der tiefsten Stelle der Welt, „Leben am Toten Meer“, in ihrem Untertitel „Archäologie aus dem Heiligen Land“. Da die Forschung aber oft mit einem Interesse an der Bibel verbunden wird, hoffe ich auf die Lektüre des Kataloges. Denn dort schreiben auch biblische Archäologen und Theologen, und zwar mit Bezug zu Geschichte und Chronologie. Daher ist es keine Überraschung: Im Katalog finde ich – auf den zweiten Blick – die Epochen auf einer Zeitleiste.

Der Katalog „Leben am Toten Meer“

Nicht verpassen: Die Kurzfilme

Spannend ist der Einsatz der Kurzfilme. Sie vermitteln viel von dem, was in der Ausstellung nicht explizit angesprochen werden soll – oder kann. So zeigen die Kuratorinnen zwei Kurzfilme des NPAPH (Non-Professional Archaeological Photographs) Projekt der Hogeschool Utrecht und anderen. Die beiden Seiten einer Ausgrabungskampagne kommen in den Blick: Die Seite der ausländischen Archäologinnen und die der Einheimischen.

Das Projekt NPAPH (Utrecht): Jericho inoffiziell (Jericho off the record)

Zusammen mit den drei Filmen des smac zu den Menschen von heute am Toten Meer, ergibt sich ein interessanter Eindruck: Die Archäologinnen und das Mädchen aus dem Kibbutz Beit HaArava erzählen ganz individuell von ihren Erlebnissen. Wichtig ist ihnen immer auch der Genuss – bei den Archäologen scheint es sich um ein Ferienvergnügen zu handeln, das mit Ausgrabungen verbunden ist. Die inzwischen Erwachsene Michal Ramot lebt jetzt im Kibbutz Kabri, von dessen Ortslage Araber vertrieben wurden. Sie scheint die Bitterkeit über die Heimatlosigkeit, Vertreibung und Konflikt in dem Wunsch nach einem guten, selbstbestimmten und genussvollen Leben zu kompensieren.

Die Kurzfilme zu den Ausgrabungen auf Tell e-Sultan (NPAPH)

Menschen von heute an der tiefsten Stelle der Welt

Dagegen spielt bei den einheimischen Menschen und ihren Äußerungen die Gruppe oder die Menschen insgesamt eine große Rolle. Der Beduine Mohammed Eid, dessen Eltern aus ihrem Stammland beim südlichen Westufer des Toten Meeres vertrieben wurden, kam zwischen Jerusalem und Jericho zur Welt. Zwei Jahre nach seiner Einschulung in Jericho musste die Familie wieder fliehen – nach Jordanien. Nach seinem Studium in Dortmund fand er keine Arbeit in Jordanien und wurde – Reiseleiter für deutschsprachige Gruppen. Mohammed Eid betont angesichts der heutigen politischen Grenzen: Das ist ein Land. Das Tote Meer gehört allen Menschen!

Neben Mohammed Eid, Flüchtlingskind, Beduine und Tour Guide werden weitere Menschen von heute am Toten Meer vorgestellt. Michal Ramot wird als Kind behutsam im Mai 1948 aus dem Kibbutz Beit HaArava evakuiert. Die erzählt von ihrer Mutter, die aus Leipzig mit der zionistischen Jugend aus Deutschland nach Palästina eingewandert ist und unter dem Klima der neuen Siedlung (gegründet 1939) schwer leidet. Auch ihr fällt eine Geschichte ein: Als sie über die heiße Erde läuft, brennen ihre Füße so sehr, dass sie Hilfe braucht. Aber niemand hilft ihr und sie muss alleine eine Lösung finden. Michal Ramot findet es gut, dass an ihrem jetzigem Wohnort eine Gedenkstätte an das alte Beit HaArava der Vergangenheit existiert. Das neue, nach der Besetzung des Westjordanlandes gegründete Militärlager – jetzt Siedlung – wird nicht erwähnt.

Beit HaArava im Eretz Israel Museum in Tel Aviv

Und dann ist da noch die palästinensische Unternehmerfamilie Hallak aus Jerusalem. Als Geschäftsleute ist ihr Blick auf den Konflikt lakonisch: Als die israelische Armee das (jordanische) Westjordanland besetzt hatte, besorgte man sich eben eine weitere Konzession. Und hat jetzt also quasi zwei! Irgendwie muss man mit dieser vertrackten Realität klar kommen. Damit ist die Salzfabrik Hallak die einzige palästinensische Adresse am Toten Meer, obwohl das Gebiet zum Westjordanland gehört. Zugleich legen Vater und Sohn Hallak großen Wert darauf, bis heute in der lokalen Gemeinschaft verwurzelt zu sein. Die Arbeiter sind palästinensische Bewohner der Gegend.

Die Archäologie am Toten Meer: Außerhalb des Konflikts?

Der Konflikt spielt im Leben der Menschen am Toten Meer also ein große Rolle – immer präsent, und immer eine Herausforderung. Wichtig sind auch die Proteste der Flüchtlinge aus dem Flüchtlingslager neben dem Tell e-Sultan. Ihr Schicksal wurde international vergessen. Bemerkenswert ist dabei die Erfahrung der Forschenden, dass sie genau dort herzlich begrüßt und bewirtet werden…

Die Perspektive der Einheimischen: Video des NPAPH zu den Arbeitern und Flüchtlingen in den 1950ern in Jericho, Tel e-Sultan

Schade, dass keine Ausstellungstücke aus Jordanien oder den besetzten palästinensischen Gebieten dabei sind. Oder doch? Liegt es vielleicht gerade daran, dass die palästinensischen Archäologen keinen Zugriff auf viele Fundstücke haben, die aus diesem Gebiet, dem Westjordanland, stammen? Ist uns diese Problematik im Sinne des Völkerrechts bewusst? Tatsächlich sehen wir einige Fundstücke beispielsweise aus Jericho – sie sind aber keine Leihgaben palästinensischer Institutionen. So ist für die Ausstellungsmacherinnen der Konflikt ein Hindernis bei der Gestaltung gewesen.

Der frühsteinzeitliche Turm in der Ausgrabung von Tell e-Sultan, Jericho

Dieses erstaunliche Bauwerk würde ich gerne meinen Kolleginnen in Jericho zeigen: So sieht es innen im Turm aus, den sie den Besuchenden manchmal erklären können! Auf den meisten konventionellen touristischen Besuchen in Jericho kommen sie nicht zu Wort. Eines der wichtigsten Themen bei ihren Führungen, die Koexistenz heute und in frühislamischer Zeit, ist in der Ausstellung kein Thema. Die Archäologie und neuere Interpretationen rund um den Palast der Omajaden-Dynastie fehlen. Immerhin wird der erste einheimnische, palästinensische Archäologe erwähnt, Dimitri Baramki. Da war die Ausbildung der einheimischen Reiseleiter in Jericho gar nicht schlecht – eine für mich beruhigende Feststellung.

Gäste authentisch empfangen – Die Ausbildung palästinensischer Tour Guides 1997-2020

Die Gegenwart spielt keine Rolle

Der aktuelle Konflikt kommt kaum vor. Gerade soviel, dass ich sagen musss: verschwiegen hat es die Ausstellung nicht. Aber auch nicht wirklich behandelt oder mit den Ausstellungsstücken in Beziehung gesetzt. So kommt der Begriff Besatzung – im Themenbereich Macht und Ohnmacht – nur im Zusammenhang mit dem römischen Imperium und dem Bar Kochba Aufstand vor. Das könnte auch eine bestimmte Lesart sein, die vom Dialog mit den israelischen Leihgebern der Ausstellung beeinflusst ist. Konflikt-sensibel ist dieses Vorgehen nicht. Die Ausstellung erlaubt kein Lernen und besseres Verstehen der Gegenwart am Toten Meer. Selbst die Bedrohung der Existenz des Toten Meeres bleibt, was Ursachen angeht, undeutlich.

Schöne virtuelle Rekonstruktion zu Khirbet Al-Yahud oder Khirbet Mazin am Westufer des Toten Meers (Westjordanland), erstellt für die israelische Behörde für Naturreservate und Nationalparks (Youtube): Ein Dock und Hafen für Boote auf dem Toten Meer in der hasmonäischen Zeit

Was ist konflikt-sensibles Reisen? (in Arbeit)

Wie die Zielsetzung der Ausstellung entstanden ist, darüber könnte ich jetzt nur spekulieren. Vielleicht sollen Ausstellungen heute ja eher enzyklopädisch, ästhetisch und weniger kritisch sein. Auch die Superlative stechen heraus: Die Ausstellung „Leben am Toten Meer“ zeigt die Vergangenheit an der tiefsten Stelle der Welt, zum ersten Mal weltweit. Die Ausstellung ist sehr umfassend recherchiert, aber nicht komplett. Daher sage ich hier nur ganz einfach: Ich habe die kritische Haltung gegenüber der Interpretation der Fundstücke vermisst, ebenso wie die Darstellung der Zusammenhänge mit der Gegenwart. Ich vermute mal, eine Führung könnte das leisten. Der Besuch hat also Tücken. Doch lohnt sich der Besuch der Ausstellung in jedem Fall, ob die Besuchenden zufällig die herausragenden Stücke finden, ihre eigenen Schätze heben oder ob eine Führung die Verbindungen zum Wissen hinter den Ausstellungsstücken herstellt.

Auch eine faire Reise nach Bethlehem kommt nicht ohne das Tote Meer aus:
Bodenhaftung und Herausforderung im Heiligen Land

Ausstellung über die Vergangenheit
der tiefsten Stelle der Welt: Der Besuch lohnt sich

Zusammengefasst: Leben am Toten Meer ist die erste Ausstellung weltweit, die sich mit der Region des Toten Meeres beschäftigt. Sie ist sehr umfassend angelegt und bestens in Szene gesetzt. Kritische Betrachtung von Geschichte und Geschichtsschreibung allerdings fehlt in der Ausstellung. Archäologie und und Aktuelles werden nicht verknüpft. Dafür stellen die Ausstellungsmacherinnen materielle Überreste längst vergangener Zeiten in sinnvollen thematischen Gruppen dar. Das wird allen helfen, die mit Zeitleisten und Geschichtsdaten eher ihre Probleme haben. Die Suchbewegung beim Besuch der Ausstellung mag zunächst ungewohnt sein, ermöglicht aber das Entdecken unterschiedlicher Aspekte. Ein Audio-Guide fehlt, dafür hilft ein kleines Büchlein beim Orientieren und Finden. Alle fünf Kurzfilme in der Ausstellung sind ein Muss. Eine Führung würde ich empfehlen. Der Besuch lohnt sich.

Die Website der Ausstellung in Chemnitz (smac)

Kritik der Ausstellung auf von Ivo Nagelweihler auf kunstundfilm

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Bodenhaftung und Herausforderung im Heiligen Land: Die Reise eines Pfarrkonvents nach Bethlehem


Bethlehemer Alltag und Erholung in biblischen Landschaften

Vor einiger Zeit erhielt ich eine Einladung, über die Reise eines Pfarrkonvents ins Heilige Land mit zu denken. Die Wünsche von Dekanin Renate Weigel waren für konventionelle Anbieter vielleicht etwas ungewöhnlich. Für mich waren sie faszinierend, und sehr nah dran an meinen Vorstellungen von Qualität und Fairness. Die Gruppe von Pfarrerinnen und Pfarrern sollte viel Alltag mitbekommen, öffentlichen Personennahverkehr benutzen, und viel zu Fuß unterwegs sein. Hinzu kamen Ausflüge, Wanderungen und erholsame Phasen mit dem Erleben von Landschaften. Ohne Erholung wird das Erleben der Realität schwierig. Die Aufnahme von Eindrücken ist eingeschränkt.

Herausforderungen an Christinnen und Christen aus Europa

Authentische Begegnungen, sowohl unterwegs als auch geplant, verbinden wir mit Besuchen bei Nichtregierungsorganisationen und einheimischen Kirchengemeinden. Neben den geplanten, von Seiten der Reisenden auch vorbereiteten Begegnungen treffen wir immer wieder Menschen. Unser Blick ist nicht gerahmt vom Fenster eines klimatisierten Reisebusses. Im Gegenteil, unser Blick schaut von Angesicht zu Angesicht, direkt, mit Kontext drumherum. Genau das wollten die Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Dekanat Nassauer Land der EKHN, die sich für die Reise anmeldeten. Möchten Sie auch eine Reise mit diesen Merkmalen durchführen, wenden Sie sich bitte bei mir über das Kontaktformular.

Reiseleitung durch Einheimische ist anspruchsvoll und kann zu ehrlichem Dialog führen

Niemand muss mich überreden, eine Reise zu leiten. Zum einen habe ich das schon getan, zum anderen macht es mir große Freude. Allerdings muss mich jemand überreden, meine Prinzipien einer fairen Reise einzuschränken. Doch das fällt mir als ehemaliger Ausbilder und Dozent für Reiseleiter sehr schwer. Denn wie kann ich von einheimischen Reiseleitern verlangen, dass sie hohe Qualität abliefern, wenn alles super-billig, inhaltlich „angepasst“ und immer in der Komfortzone bleiben soll. Und ganz ehrlich: Inhaltlich „angepasste“ Reisen bedeutet, einheimische Reiseleiter zu zensieren. Das kommt für mich nicht in Frage. Aber Fragen stellen ist mir wichtig! Und solange respektvoll und mit Bezug zu Realität, Leben und Zukunft gefragt wird, sind die Dialoge dazu auch ehrlich und sinnvoll.

Vorurteile und Stereotype überprüfen

Grundsätzlich begleite und moderiere ich eine Reise, gemeinsam mit einer einheimischen Reiseleiterin, oder einem Reiseleiter. So erreicht die Reise eine hohe Qualität in ihren Erlebnissen. Ich bin verantwortlich für die Reflexion, kulturelle Übersetzungsfragen und erholsame Erfahrungen. Denn im Verlauf der Reise müssen sich Intensität und Entspannung sinnvoll ergänzen und abwechseln.

Diese Wechsel von intensiven Erleben einerseits und Erholung andererseits sind um wichtiger, als die wir auf dieser Reise auch Denkgewohnheiten in Frage stellen wollen, und uns damit aus der Sicherheit des gewohnten Denkens und Beurteilens begeben. Das ist ein unabdingbares Element von konflikt-sensiblen Reisen. Manche meinen, das ist automatisch der Fall, wenn wir auf Reisen gehen. Ich fürchte, die allermeisten Reisen funktionieren anders: Vorurteile werden bestätigt, Stereotype verstärkt. Doch dazu an anderer Stelle.

Was ist konflikt-sensibles Reisen? (in Vorbereitung)

Ein Reiseprogramm, in dem das Erleben an erster Stelle steht

Bleibt noch die Reiseorganisation. Die lag in den Händen des Dekanats, Anreise einschließlich Flug wurden dort geplant und durchgeführt. Das Angebot, das mein Partner in Bethlehem und ich hier vorstellen, beginnt mit der Ankunft am Flughafen in Tel Aviv–Jaffa und endet auch dort. Umgekehrt konnten mein einheimischer Kollege und ich die Reise vor Ort gut planen: Begegnungen auf Erlebnisse abstimmen, Erholung auf Herausforderungen abstimmen und – ganz wichtig – für ein faires Einkommen vor Ort sorgen. Das alles können wir verbinden! Die überragende Faszination, die vom Heiligen Land, von Israel und von Palästina ausgeht, verleitet viele Anbieter, Unternehmen, Veranstalter und Organisatoren dazu, die Orte und Stätten als vermeintliche Höhepunkte aneinander zu reihen. Solche Programme führen nicht zu einem abgestimmten, aufeinander aufbauenden Erleben!

Reisedramaturgie: Erlebnisse der Reisenden bauen aufeinander auf

Die Reisedramaturgie, wie ich es manchmal nenne, berücksichtigt weniger die Liste der zu besuchenden heiligen Stätten – beinahe hätte ich heilige Steine geschrieben! Ja, die Stätten gehören dazu, und das eine oder andere Mal haben wir uns als Gruppe auch ganz bescheiden und aufmerksam in den Strom der Pilgerinnen und Pilger eingereiht. Das geht an den von allen besuchten Heiligtümern gar nicht anders.

Allerdings haben wir auch die einheimischen, weniger vom Strom der Pilgerinnen besuchten Heiligtümer auf unserem Weg als spirituellen Anstoß genutzt. Ebenso die Landschaften – die hier ganz unterschiedlich aussehen und wirken – waren auf dieser Reise voller Anregungen zum Erleben, Nachdenken und zu Gesprächen. So durchlebt die Gruppe auch Phasen vom Kennenlernen, über Vertiefen, über Entspannen, über Herausforderung, zum Wahrnehmen, zum Verstehen, und zur Veränderung.

Der Genuss: Echtes, gutes einheimisches Essen

Das echte Essen ist in vielen Reisen eher Zufall. In den Hotels wird oft Massenware, oder preiswertes Essen, oder das Essen serviert, von dem die Manager annehmen, dass es den Reisenden bekannt ist. Und das, obwohl das Essen in Bethlehem, in Palästina ein besonders schmackhaftes Essen ist! Das echte einheimische Essen, das die Mütter kochen, gibt es nur, wenn du danach suchst – weil es aufwendig zubereitet wird. Das hieß auf dieser Reise: Keine Halbpension, sondern in den historischen Vierteln die Restaurants zu aktivieren, oder Essen vorzubestellen, oder ein Essen in einer Familie zu organisieren! Und gar nicht nebenbei, sondern als echter Effekt war es so möglich, ein faires Einkommen vor Ort zu erzielen.

Das Programm: Reisetage mit Schwerpunkten

Die Gruppe erreichte Bethlehem noch vor Einbruch der Dunkelheit, und so bestand die Möglichkeit einer ersten Orientierung in den historischen Vierteln. Insofern war die Unterkunft im historischen Kern der kleinen Stadt natürlich ideal. Hier kommt jeder Reisende an, kann zu Fuß in der Nähe interessante Stätten erreichen, sich versorgen oder auch anregen lassen. Freie Zeit ist also vielseitig nutzbar. Am ersten vollen Tag folgt die behutsame Einführung in die Realität des Alltags, eine Art Grundkurs, der im besten Fall die Reisenden auch etwas sicherer und unabhängiger macht.

Am zweiten vollen Tag war Erholung, Landschaft, Sonne, Wärme, Bodenhaftung, ganz viel unmittelbar Erlebbares wichtig. Gemeinsam mit den Hirten der Gegend waren wir auf der Felsenklippe hoch über dem Toten Meer, der tiefsten Stelle der Welt. Am dritten Tag wieder Landschaft, mit Bewegung und einer spannenden, weil unglaublichen Geschichte vom kreativen Widerstand: Battir. Am vierten Tag gab es Besuche bei kirchlichen Einrichtungen und / oder einer Bildungsinstitution, Begegnungen und freie Zeit. Außerdem bot Jerusalem zum Abschluss noch viele Möglichkeiten, Pilgerstätten, freie Zeit und besondere Begegnungen. Mehr verrate ich hier nicht!

Ohne Reflexion ergeben sich wenig Zusammenhänge

Auf manchen Reisen gehört es schon dazu, einmal am Tag Zeit zu haben zum Austauschen, zum Fragen und zum Reflektieren. Didaktisch angeleitet ergeben sich hier viele Chancen. Zum Beispiel gilt es oft, Wahrnehmungen mit Hintergrund zu versehen. Das ist meine Aufgabe, dabei zu moderieren, aber auch Fragen zu beantworten. Die Information zu kulturellen Hintergründen kann Wahrnehmung sinnvoll ergänzen oder Stereotype korrigieren. Was die anderen wahrnehmen oder verstanden haben, kann für die Reflexion jedeR Einzelnen und Entwicklung der Gruppe sehr hilfreich sein.

Vom Erleben zu Veränderung

Auch der Austausch dazu, was Reisende – zurück zu Hause – anders machen werden, bereichert sehr. Wofür werden sie sich einsetzen? Oder was werden sie besonders bedenken bei ihrer Arbeit? Reisende wollen Neues kennen lernen, Anregungen erhalten und gerade als Theologinnen und Theologen ihre Arbeit durch Erfahrungen, Ideen und Erkenntnisse stärken. Ich bin selbst Theologe, kenne auch den Pfarrer-Alltag und habe meine persönlichen Erfahrungen im Heiligen Land immer auch mit Texten und Botschaften der Bibel in Verbindung gebracht. Diesen Reichtum teile ich gerne!

Wann ist die nächste Reise?

Dann, wenn Sie die Reise bestellen. Ich plane zur Zeit mit dem 13. bis 30.November 2020. Alle Theologinnen und Theologen, Interessierte aus dem kirchlichen Zusammenhang und der Ökumene sind herzlich willkommen. Setzen Sie sich bitte über das Kontaktformular mit mir in Verbindung, dann erfahren Sie die Details. Überlegen Sie, ob Sie intensives Erleben, Slow-travel, und Bodenhaftung in ihrer Reise drin haben wollen. Ob Sie möglichst fair, authentisch und auch mal abseits vom Bekannten reisen wollen. Fragen Sie mich, fragen Sie Andreas Kuntz. Noch einmal herzlich willkommen!

Was ist konflikt-sensibles Reisen? (in Vorbereitung)

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