Schlagwort-Archive: Bethlehem

Selbstbewusste GastgeberInnen ausbilden – 25 Jahre kulturelle Bildung für Palästina

Angefangen hat es 1995 mit Fort- und Weiterbildung im Internationalen Begegnungszentrum Dar Annadwa Adduwaliyya („Haus der Begegnung“) in Bethlehem. Inzwischen gibt es die Fachhochschule für Kunst und Kultur Dar Al-Kalima („Haus des Wortes“). Und unter dem Dach von Diyar („Häuser“) findet Teamsport, Tanztheater und kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche statt, insbesondere für Mädchen. Auch GastgeberInnen, oder besser ReiseleiterInnen, werden in Bethlehem ausgebildet.

Die Ausbildung palästinensischer Tour Guides
von 1997 bis 2020

Aus diesem Anlass hat der Förderverein Dar Al-Kalima Akademie Bethlehem e.V. einen kleinen Band mit interessanten Artikeln herausgebracht. Dazu konnte ich einen Artikel über die Ausbildung von ReiseleiterInnen in Bethlehem beisteuern. Das ist die Gelegenheit, auf die Leistungen und Erfolge dieser Ausbildung zu blicken. Und auf unser (deutsches) Reiseverhalten dort vor Ort werfe ich auch einen Seitenblick. Mehr dazu später in diesem Beitrag.

10 Beiträge zur Arbeit von Dar Al-Kalima in Bethlehem

In der Zeitschrift für Dialog „Israel&Palästina“ des deutsch-isralischen Arbeitskreises für Frieden in Nahost, Ausgabe II-III 2020, schreiben Menschen, die vor Ort mitgewirkt haben oder geforscht und sich mit anderen in Bethlehem über Kultur, Theologie und Kunst auseinandergesetzt haben. Besonders interessant sind Perspektiven von Pfarrer Dr. Mitri Raheb, der die „Reise von Dar Annadwa nach Dar Al-Kalima“ anhand schwieriger Herausforderungen nachzeichnet. Das gilt auch für den Vortrag von Bischof a.D. Hans-Jürgen Abromeit, mit dem er im Bonhoefferzentrum Bielefeld 2019 die Stadt Bethlehem vorstellte – „Faszination und Konflikt: Das ambivalente Erbe einer Heiligen Stadt“.

Der Förderverein Bethlehem-Akademie Dar Al-Kalima e.V. unterstützt die Bildungsarbeit in Bethlehem.

Der deutsch-isralischer Arbeitskreis für Frieden in Nahost ist auch unter seinem Kürzel diAk e.V. bekannt.

Die Zeitschrift für Dialog „Israel&Palästina“ will Israel, Palästina und Deutschland zusammen denken.

Hinzu kommen Artikel über Fragen zu kontextueller Theologie, Konferenzen, Arbeit für Frauen, über das Frauen-Fussballteam, und über die Vereinsarbeit in Deutschland. Der Aphorisma-Verlag hat die 10 Artikel in einer Doppelnummer der Zeitschrift „Israel und Palästina“ veröffentlicht.

Hier können Sie die Ausgabe i&p II/III 2020 bestellen oder das Inhaltsverzeichnis herunterladen.

Ich möchte einen wichtigen Aspekt meines Artikels herausgreifen. Palästinensische kirchennahe Organisationen und Initiativen haben immer wieder gefordert, dass Besuchende, Pilger und Bildungsreisende, anders ins Heilige Land reisen sollen. Was haben aber die Menschen in Palästina dazu beigetragen? Konnten die Bildungsinstitutionen vor Ort einen Beitrag dazu leisten? Wozu wurden ReiseleiterInnen in Bethlehem ausgebildet? Was bieten Reiseleiter – Tour Guides – in Bethlehem an?

Hier geht es zu Informationen über anderes Reisen: Initiative für einen fairen Austausch mit Palästina auch im Tourismus

Die Einladung nach Bethlehem steht

Lange Zeit war Bethlehem in den Reiseprogrammen eine kurze Station zwischen Hebron und Jerusalem. Später wurde es zu einem halben Tag neben Besuchen in Jerusalem, in vielen Bildungsreisen neben Yad VaShem. Die Einladung und die Möglichkeit, unter anderen Vorzeichen nach Bethlehem zu kommen und dort mehr Zeit zu verbringen, gibt es schon länger. Bereits 1996 wurde Dar Annadwa für sein Angebot mit dem TODO! Preis für sozialverantwortlichen Tourismus ausgezeichnet. Unter dem Titel „Palästinas Fenster zur Welt“ hatten Dr. Mitri Raheb und ich für das Jahr 2000 einen Artikel für den Evangelischen Arbeitskreis Freizeit – Erholung – Tourismus in der Evangelischen Kirche in Deutschland veröffentlicht.

TODO! Wettbewerb Sozialverantwortlicher Tourismus, Begründung für den 1.Preis 1996 für Dar Annadwa, Bethlehem

Die Ausbildung von Tour Guides als akademische Aufgabe seit 2008

Schon seit 1997 hatte Dar Annadwa ReiseleiterInnen aus Palästina ausgebildet. Zwei Intensivkurse für palästinensische Guides und zwei Ausbildungskurse für Bethlehem 2000 BegleiterInnen wurden bis 2002 durchgeführt. Mit der Gründung des Dar Al-Kalima College 2006 begann eine neue Ära unter der Leitung von Dr. Nuha Khoury. Denn 2008 wurde die Ausbildung zum „Palestinian Tour Guide“ auch vom Bildungsministerium akkreditiert. Akademische Kurse wurden eingeführt und das Curriculum entsprechend ausgerichtet.

Dar Al-Kalima Fachhochschule für Kunst und Kultur, Fachbereich Tourismus (auf Arabisch)

Die Ausbildung wurde um Sprachkurse ergänzt, die von Anfang an auf die Vermittlung von geopolitischen Fakten wie auch auf die Vermittlung von Kulturerbe ausgerichtet waren. Mit meiner Mitarbeit ab 2010 waren die historischen Viertel von Bethlehem erneut praktisches Übungsfeld. Die Ideen und Grundlagen der Intensivkurse kamen wieder zum Einsatz. Wichtige Funktion hatten die Koordination des Kurses und die Betreuung der Studierenden, wobei Dafer Kassis und Sami Abu Ghazaleh besonders hervorzuheben sind.

Bethlehem auf den zweiten Blick – Rundgänge durch die historischen Viertel Bethlehems
Hinweis: Visit Palestine hat die Rundgänge eingestellt. Für andere Buchungsmöglichkeiten wenden Sie sich bitte an mich.

Der Förderverein unterstützt auch die Berufsausbildungen durch Dar Al-Kalima Fachhochschule in Bethlehem.

Exkursionen als Entdeckungsreisen zum palästinensischen Kulturerbe

Für viele Teilnehmende waren Exkursionen, auch in der direkten Umgebung von Dar Annadwa, prägende Erlebnisse der bisher unbekannten Heimat. Als einer unserer Dozenten am Checkpoint festsaß, verlängerte ich kurzentschlossen einen Besuch in Battir. Nicht nur die Geschichte von Beitar, sondern auch die von Hasan Mustafa und Battir 1948/49 trat uns allen vor Augen. Seitdem gehört ein ausführlicher Besuch in Battir zum Standard der Ausbildung. Deshalb entdecken Studierende gerade auch dort die Verknüpfung von Geschichte und kreativem Widerstand.

Die Geschichte von Hasan Mustafa als Teil der Erzählung Battirs heute (in Englisch):
Mein Vortrag vor der 7. Internationalen Konferenz von Diyar – Dar Al-Kalima 2013

Hier beschreibe ich sieben Gründe, warum Reisende das Dorf Battir besuchen müssen.

Dialogfähigkeit für eine aktive Zivilgesellschaft und die offene Begegnung mit Gästen

Ab 2011 führte ich ein Leadership-Training für Erstsemester ein. Teile des Konzepts beruhen auf einem Kurs für junge Erwachsene von Anette Klasing, die wie ich auch im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes in Bethlehem war. Junge Studierende konnten in diesem Training wichtige Fertigkeiten im Umgang mit Meinungsvielfalt, Zusammenarbeit und einer Kultur des Diskurses erlernen. Die Weiterentwicklung des Trainings wurde möglich durch die Zusammenarbeit mit dem Willy-Brandt-Center Jerusalem.

Willy-Brandt-Center Jerusalem: Raum für Begegnungen und Kultur, Social Justice and a Common Future!

Das Training schafft einen sicheren Raum, in dem gemeinsam Aufgaben gelöst werden und Dialoge über aktuelle Themen wie eine öffentliche Debatte durchgeführt werden. So werden Werte wie freie Meinungsäußerung an der Fachhochschule für Kunst und Kultur praktisch erfahren. Zugleich werden zukünftige Reiseleiter auf den Umgang mit den Vorinformationen ihrer Gäste vorbereitet.

Ich habe jetzt begonnen, bei Dual-Narrativ-Führungen mitzuwirken. Dabei mache ich keine Abstriche an meiner palästinensischen Position, und spreche niemanden die Existenz ab. Ich mache meine Identität als palästinensischer Flüchtling deutlich. Ich fordere meine Gäste heraus. Dennoch merke ich, dass einige ihre Vorurteile beiseite legen und sich der Situation hier wirklich stellen.“

Noor Awad, Tour Guide und Dar Al-Kalima Absolvent 2012, dessen Großeltern aus ihrem Dorf bei Jerusalem 1948 fliehen mussten.

Was sind Erfolge der ReiseleiterInnen, ausgebildet in Bethlehem?

Die Zahlen der letzten Jahre sprechen für sich: 2015 waren es 16 Absolvent*innen, 2016 ebenfalls 16, 2017 21 und 2018 11. Im Jahr 2019 wurden 17 ReiseleiterInnen von Dar Al_Kalima in Bethlehem ausgebildet. Noch besser lassen sich Erfolge der Tour Guide-Ausbildung an den Erfolgsgeschichten der AbsolventInnen ablesen. Sie reichen von der erfolgreichen Firmengründerin einer Incoming-Agentur, über Angestellte in der Touristeninfor­mation, Angestellte im Ministerium für kommunale Verwaltung, bis hin zu erfolgreichen Tour Guides, die inzwischen auch über das Internet gebucht werden können.

Michael Jackaman ist Dar Al-Kalima Absolvent und Tour Guide. Als michaeltours.com bietet er Touren an und schreibt seinen eigenen englischsprachigen Blog darüber. Zum Beispiel über Mar Saba, das uralte Kloster in der Wüste östlich von Bethlehem (auf Englisch).

Interview von Stefan Lemmermeier mit Baha Abu Shanab über seine Doku „Das Leben der Tauben“, mit Beschreibungen aus dem Film und mit begleitenden Texten.

Ein Student wechselte das Fach: Seine Abschlussarbeit in Dokumentarfilm wurde auf Filmfestivals ausgezeichnet. Andere AbsolventInnen studieren jetzt weiter Archäologie, Theologie oder Marketing. Doch ich betrachte es auch als Erfolg, wenn sich ein Absolvent von Dar Al-Kalima bewusst gegen eine geopolitische Erklärung, gegen die Formulierung einer palästinensischen Position oder gegen die Erklärung des Alltags unter Besatzung entscheiden muss!

Ich respektiere dich als meinen Lehrer und Dar Al-Kalima als meine akademische Ausbildungsstätte. Aber ich mache es nicht so, wie ihr es mir beigebracht hat. Ich rede nicht über Politik, wenn ich eine Gruppe führe. Ich habe mich entschieden: Ich behalte diese Arbeit.“

EinE AbsolventIn von Dar Al-Kalima 2017, die/der in Bethlehem als Tour Guide arbeitet und die/den ich ein paar Jahre nach seinem Abschluss wieder traf.

ReiseleiterInnen werden in Dar Al-Kalima in Bethlehem auf den Dialog vorbereitet

Die AbsolventInnen haben sehr wohl ein Bewusstsein darüber, was sie können. Es fällt ihnen nicht leicht, das Richtige zu unterlassen. Genau das ist für mich eine Bestätigung dafür, dass es sinnvoll ist, die Zusammenhänge von Wissen über das Land und über die Bibel, von Geschichte und Geopolitik zu vermitteln. Auch die eigene Identität und die Rolle als ErklärerIn hängt zusammen, was von vielen TouristikerInnen und Veranstaltern von Heilig-Land-Reisen immer wieder bestritten wird.

Auf den Wanderungen, die ich führe, geht es um Erholung, aber auch um die Landschaft, um die Geschichte, die sich hier abgespielt hat, um das geopolitische Setting damals und heute. Dem gehe ich nicht aus dem Weg: Auf der Wanderung treffen wir an einem ungefährlichen, berechenbaren Ort der Grenztruppe, die mich – wie immer – überprüfen wird. So erleben meine Gäste ein kleines Stück von der Besatzung.“

Hazem Bannoura, Tour Guide und Absolvent 2012, hatte sich ein Erlebnis während der Ausbildung als Modell für seine Wanderungen genommen.

Was fehlt noch, um die ReiseleiterInnen-Ausbildung zur Wirkung zu bringen?

Für die sogenannten lokalen Tour Guides fehlt ein System, sie effektiv für jede Gruppe einzusetzen, die nach Palästina oder in die betreffende Stadt kommt. Lokale Organisationen müssen hier in den Wettbewerb mit der örtlichen Tourismus-Industrie treten, die vor allem als Subunternehmer der israelischen Tourismusindustrie fungiert.

Außerdem fehlt ein Standard und dessen Prüfung, d.h. Indikatoren für die Qualität des Besuches oder Aufenthaltes der Reisenden. Jeder Veranstalter kann behaupten, fair mit der Situation umzugehen. Es gibt keine neutrale Prüfungsinstanz. Es gibt auch keine Instanz in Palästina, die eine zutreffende Darstellung für Palästina bescheinigen könnte. Deshalb besteht eine Lücke zwischen den Möglichkeiten, neue Eindrücke durch eineN gut ausgebildeteN einheimischeN Tour Guide zu gewinnen und Palästina zu verstehen einerseits, und der üblichen Bestätigung der bekannten Informationen und Vorurteile andererseits. Genau diese bestätigende Blase bieten die meisten Bildungsreisen in Palästina bisher an.

Unsere Ausbildungen sind deshalb so speziell, weil sie das Bewusstsein über die Palästinensische Identität stärken. Das palästinensische Volk ist Erbe aller Völker und Zivilisationen, die in diesem geographischen Gebiet gelebt haben vom frühgeschichtlichen Palästina bis heute.“

Sami Abu Ghazaleh 2020, Absolvent „Intensive Course for Palestinian Guides“ 1999, Koordinator der Diplom-Ausbildung (Associate Diploma) „Palestinian Tour Guide“ an der Fachhochschule für Kunst und Kultur, Dar Al-Kalima, Bethlehem

Letzteres Zitat stammt von Sami Abu Ghazaleh, den ich für meinen Artikel um eine Stellungnahme zur aktuellen Situation der Ausbildung gebeten hatte. So ähnlich könnte es aber auch Dr. Nuha Khoury gesagt haben, die akademische Leiterin an der Fachhochschule Dar Al-Kalima in Bethlehem ist. Ich habe aus meinen Erfahrungen heraus, und basierend auf meinen Gesprächen vor Ort, ein paar Herausforderungen formuliert, vor denen die Ausbildung von ReiseleiterInnen in Bethlehem heute steht. Zwei greife ich hier heraus. Mehr über die Geschichte der Ausbildung seit 1997 und ihre Besonderheiten schreibe ich in einem anderen Beitrag.

Vor welchen Herausforderungen steht die Qualifzierung palästinensischer ReiseleiterInnen und Tour Guides?

Der Tourismus in Palästina ist weiterhin Pilgertourismus. Dar Annadwa hat darin immer die Chance gesehen, die verschiedenen Bereiche des Pilgerns sinnvoll zu verknüpfen: Bibel, biblische Geschichten und Glaube; Geschichte, Archäologie und kulturelles Erbe; religiöse Erfahrung, Vielfalt und Koexistenz – all das ist verbunden. Reisende können das in Westasien bzw. gerade im Heiligen Land beispielhaft erleben.

Dazu brauchen sie kompetente Begleitung und Erklärung. Und sie brauchen sinnvolle Programme, nachhaltige und faire Produkte sowie gutes Management. Deshalb ist es für die Fachhochschule Dar Al-Kalima wichtig, die ReiseleiterInnen-Ausbildung durch ein BA zu erweitern. Und genau das passiert jetzt.

Der Umgang mit Vorurteilen, gefilterten Informationen und einseitiger Berichterstattung benötigt eine ausgeprägte Dialogfähigkeit. Diese kann in geschützten Räumen erprobt und erlebt werden. Für die Fachhochschule bedeutet das, weiterhin Kurse oder Leadership-Trainings zu gestalten, die freie Meinungsäußerung, Meinungsvielfalt und Diskurse ermöglichen. Das kann ich nur dringend empfehlen. Im Übrigen bin ich überzeugt, dass wir mit aufmerksamen Zuhören weiter kommen.

Vielleicht ein passendes Geschenk zu Advent, Weihnachten und Epiphanias: Hier können Sie die Ausgabe i&p II/III 2020 mit meinem vollständigen Artikel bestellen.

Hier können Sie Bildungsprogramme der Fachhochschule Dar Al-Kalima unterstützen.

Hier finden Sie Informationen des Dar Al-Kalima University College (in Englisch).

Und hier schreibe ich über eine Reise, bei der ReiseleiterInnen, ausgebildet in Bethlehem von Dar Al-Kalima, mitgewirkt haben.

Hier klicken und teilen - DSGVO konform.

Bodenhaftung und Herausforderung im Heiligen Land: Die Reise eines Pfarrkonvents nach Bethlehem


Bethlehemer Alltag und Erholung in biblischen Landschaften

Vor einiger Zeit erhielt ich eine Einladung, über die Reise eines Pfarrkonvents ins Heilige Land mit zu denken. Die Wünsche von Dekanin Renate Weigel waren für konventionelle Anbieter vielleicht etwas ungewöhnlich. Für mich waren sie faszinierend, und sehr nah dran an meinen Vorstellungen von Qualität und Fairness. Die Gruppe von Pfarrerinnen und Pfarrern sollte viel Alltag mitbekommen, öffentlichen Personennahverkehr benutzen, und viel zu Fuß unterwegs sein. Hinzu kamen Ausflüge, Wanderungen und erholsame Phasen mit dem Erleben von Landschaften. Ohne Erholung wird das Erleben der Realität schwierig. Die Aufnahme von Eindrücken ist eingeschränkt.

Herausforderungen an Christinnen und Christen aus Europa

Authentische Begegnungen, sowohl unterwegs als auch geplant, verbinden wir mit Besuchen bei Nichtregierungsorganisationen und einheimischen Kirchengemeinden. Neben den geplanten, von Seiten der Reisenden auch vorbereiteten Begegnungen treffen wir immer wieder Menschen. Unser Blick ist nicht gerahmt vom Fenster eines klimatisierten Reisebusses. Im Gegenteil, unser Blick schaut von Angesicht zu Angesicht, direkt, mit Kontext drumherum. Genau das wollten die Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Dekanat Nassauer Land der EKHN, die sich für die Reise anmeldeten. Möchten Sie auch eine Reise mit diesen Merkmalen durchführen, wenden Sie sich bitte bei mir über das Kontaktformular.

Reiseleitung durch Einheimische ist anspruchsvoll und kann zu ehrlichem Dialog führen

Niemand muss mich überreden, eine Reise zu leiten. Zum einen habe ich das schon getan, zum anderen macht es mir große Freude. Allerdings muss mich jemand überreden, meine Prinzipien einer fairen Reise einzuschränken. Doch das fällt mir als ehemaliger Ausbilder und Dozent für Reiseleiter sehr schwer. Denn wie kann ich von einheimischen Reiseleitern verlangen, dass sie hohe Qualität abliefern, wenn alles super-billig, inhaltlich „angepasst“ und immer in der Komfortzone bleiben soll. Und ganz ehrlich: Inhaltlich „angepasste“ Reisen bedeutet, einheimische Reiseleiter zu zensieren. Das kommt für mich nicht in Frage. Aber Fragen stellen ist mir wichtig! Und solange respektvoll und mit Bezug zu Realität, Leben und Zukunft gefragt wird, sind die Dialoge dazu auch ehrlich und sinnvoll.

Vorurteile und Stereotype überprüfen

Grundsätzlich begleite und moderiere ich eine Reise, gemeinsam mit einer einheimischen Reiseleiterin, oder einem Reiseleiter. So erreicht die Reise eine hohe Qualität in ihren Erlebnissen. Ich bin verantwortlich für die Reflexion, kulturelle Übersetzungsfragen und erholsame Erfahrungen. Denn im Verlauf der Reise müssen sich Intensität und Entspannung sinnvoll ergänzen und abwechseln.

Diese Wechsel von intensiven Erleben einerseits und Erholung andererseits sind um wichtiger, als die wir auf dieser Reise auch Denkgewohnheiten in Frage stellen wollen, und uns damit aus der Sicherheit des gewohnten Denkens und Beurteilens begeben. Das ist ein unabdingbares Element von konflikt-sensiblen Reisen. Manche meinen, das ist automatisch der Fall, wenn wir auf Reisen gehen. Ich fürchte, die allermeisten Reisen funktionieren anders: Vorurteile werden bestätigt, Stereotype verstärkt. Doch dazu an anderer Stelle.

Was ist konflikt-sensibles Reisen? (in Vorbereitung)

Ein Reiseprogramm, in dem das Erleben an erster Stelle steht

Bleibt noch die Reiseorganisation. Die lag in den Händen des Dekanats, Anreise einschließlich Flug wurden dort geplant und durchgeführt. Das Angebot, das mein Partner in Bethlehem und ich hier vorstellen, beginnt mit der Ankunft am Flughafen in Tel Aviv–Jaffa und endet auch dort. Umgekehrt konnten mein einheimischer Kollege und ich die Reise vor Ort gut planen: Begegnungen auf Erlebnisse abstimmen, Erholung auf Herausforderungen abstimmen und – ganz wichtig – für ein faires Einkommen vor Ort sorgen. Das alles können wir verbinden! Die überragende Faszination, die vom Heiligen Land, von Israel und von Palästina ausgeht, verleitet viele Anbieter, Unternehmen, Veranstalter und Organisatoren dazu, die Orte und Stätten als vermeintliche Höhepunkte aneinander zu reihen. Solche Programme führen nicht zu einem abgestimmten, aufeinander aufbauenden Erleben!

Reisedramaturgie: Erlebnisse der Reisenden bauen aufeinander auf

Die Reisedramaturgie, wie ich es manchmal nenne, berücksichtigt weniger die Liste der zu besuchenden heiligen Stätten – beinahe hätte ich heilige Steine geschrieben! Ja, die Stätten gehören dazu, und das eine oder andere Mal haben wir uns als Gruppe auch ganz bescheiden und aufmerksam in den Strom der Pilgerinnen und Pilger eingereiht. Das geht an den von allen besuchten Heiligtümern gar nicht anders.

Allerdings haben wir auch die einheimischen, weniger vom Strom der Pilgerinnen besuchten Heiligtümer auf unserem Weg als spirituellen Anstoß genutzt. Ebenso die Landschaften – die hier ganz unterschiedlich aussehen und wirken – waren auf dieser Reise voller Anregungen zum Erleben, Nachdenken und zu Gesprächen. So durchlebt die Gruppe auch Phasen vom Kennenlernen, über Vertiefen, über Entspannen, über Herausforderung, zum Wahrnehmen, zum Verstehen, und zur Veränderung.

Der Genuss: Echtes, gutes einheimisches Essen

Das echte Essen ist in vielen Reisen eher Zufall. In den Hotels wird oft Massenware, oder preiswertes Essen, oder das Essen serviert, von dem die Manager annehmen, dass es den Reisenden bekannt ist. Und das, obwohl das Essen in Bethlehem, in Palästina ein besonders schmackhaftes Essen ist! Das echte einheimische Essen, das die Mütter kochen, gibt es nur, wenn du danach suchst – weil es aufwendig zubereitet wird. Das hieß auf dieser Reise: Keine Halbpension, sondern in den historischen Vierteln die Restaurants zu aktivieren, oder Essen vorzubestellen, oder ein Essen in einer Familie zu organisieren! Und gar nicht nebenbei, sondern als echter Effekt war es so möglich, ein faires Einkommen vor Ort zu erzielen.

Das Programm: Reisetage mit Schwerpunkten

Die Gruppe erreichte Bethlehem noch vor Einbruch der Dunkelheit, und so bestand die Möglichkeit einer ersten Orientierung in den historischen Vierteln. Insofern war die Unterkunft im historischen Kern der kleinen Stadt natürlich ideal. Hier kommt jeder Reisende an, kann zu Fuß in der Nähe interessante Stätten erreichen, sich versorgen oder auch anregen lassen. Freie Zeit ist also vielseitig nutzbar. Am ersten vollen Tag folgt die behutsame Einführung in die Realität des Alltags, eine Art Grundkurs, der im besten Fall die Reisenden auch etwas sicherer und unabhängiger macht.

Am zweiten vollen Tag war Erholung, Landschaft, Sonne, Wärme, Bodenhaftung, ganz viel unmittelbar Erlebbares wichtig. Gemeinsam mit den Hirten der Gegend waren wir auf der Felsenklippe hoch über dem Toten Meer, der tiefsten Stelle der Welt. Am dritten Tag wieder Landschaft, mit Bewegung und einer spannenden, weil unglaublichen Geschichte vom kreativen Widerstand: Battir. Am vierten Tag gab es Besuche bei kirchlichen Einrichtungen und / oder einer Bildungsinstitution, Begegnungen und freie Zeit. Außerdem bot Jerusalem zum Abschluss noch viele Möglichkeiten, Pilgerstätten, freie Zeit und besondere Begegnungen. Mehr verrate ich hier nicht!

Ohne Reflexion ergeben sich wenig Zusammenhänge

Auf manchen Reisen gehört es schon dazu, einmal am Tag Zeit zu haben zum Austauschen, zum Fragen und zum Reflektieren. Didaktisch angeleitet ergeben sich hier viele Chancen. Zum Beispiel gilt es oft, Wahrnehmungen mit Hintergrund zu versehen. Das ist meine Aufgabe, dabei zu moderieren, aber auch Fragen zu beantworten. Die Information zu kulturellen Hintergründen kann Wahrnehmung sinnvoll ergänzen oder Stereotype korrigieren. Was die anderen wahrnehmen oder verstanden haben, kann für die Reflexion jedeR Einzelnen und Entwicklung der Gruppe sehr hilfreich sein.

Vom Erleben zu Veränderung

Auch der Austausch dazu, was Reisende – zurück zu Hause – anders machen werden, bereichert sehr. Wofür werden sie sich einsetzen? Oder was werden sie besonders bedenken bei ihrer Arbeit? Reisende wollen Neues kennen lernen, Anregungen erhalten und gerade als Theologinnen und Theologen ihre Arbeit durch Erfahrungen, Ideen und Erkenntnisse stärken. Ich bin selbst Theologe, kenne auch den Pfarrer-Alltag und habe meine persönlichen Erfahrungen im Heiligen Land immer auch mit Texten und Botschaften der Bibel in Verbindung gebracht. Diesen Reichtum teile ich gerne!

Wann ist die nächste Reise?

Dann, wenn Sie die Reise bestellen. Ich plane zur Zeit mit dem 13. bis 30.November 2020. Alle Theologinnen und Theologen, Interessierte aus dem kirchlichen Zusammenhang und der Ökumene sind herzlich willkommen. Setzen Sie sich bitte über das Kontaktformular mit mir in Verbindung, dann erfahren Sie die Details. Überlegen Sie, ob Sie intensives Erleben, Slow-travel, und Bodenhaftung in ihrer Reise drin haben wollen. Ob Sie möglichst fair, authentisch und auch mal abseits vom Bekannten reisen wollen. Fragen Sie mich, fragen Sie Andreas Kuntz. Noch einmal herzlich willkommen!

Was ist konflikt-sensibles Reisen? (in Vorbereitung)

Hier klicken und teilen - DSGVO konform.